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Ein Ort findet sein Thema...

Der „Junkernhof“ in Meimbressen bildet seit Jahrhunderten einen wichtigen historischen Bezugspunkt für die Identität des über 1100 Jahre alten Dorfes. Als Stammsitz der Wölffe von Gudenberg erinnert er an die frühere Funktion dieser Familie als Grundherrin des Dorfes. Über viele Generationen hinweg übte sie auch das Schutzrecht für die hier lebenden Jüdinnen und Juden aus.

An diese Verbindung zwischen Familien- und Ortsgeschichte und dem Leben der jüdischen Minderheit will unser Verein anknüpfen. Er wendet sich zum einen an die heutigen Meimbresserinnen und Meimbresser, die das 600jährige Zusammenleben mit jüdischen Nachbarn nur noch aus den Erzählungen kennen. Und er sucht zum anderen den Kontakt zu den Nachfahren der jüdischen Familien des Dorfes, die heute in anderen Ländern zu Hause sind. Durch seine Aktivitäten möchte er dazu beitragen, die Menschen in der gesamten nordhessischen Region mit dem Reichtum der jüdischen Kultur in Kontakt zu bringen.

Aktuelles

Alon findet Ururopa Isaak

Junger Israeli geht mit kompetenter Unterstützung auf Spurensuche in Meimbressen

von Dorina Binienda-Beer

Meimbressen. Das große Unheil des Holocaust zeichnete sich ab, Repressalien und Schikanen hatten sie bereits schwer getroffen. Da fassten in Meimbressen der Viehhändler Jakob Voremberg und seine Frau Jenny (geborene Perlstein) den weitreichenden Entschluss: weg aus dem Heimatdorf, weg aus Deutschland, weg aus Europa. Im September 1938 emigrierten die jüdischen Eheleute mit ihren drei Söhnen Horst (geboren 1924), Helmut (1925) und Werner (1927) nach Erez-Israel, dem britischen Mandatsgebiet in Palästina. Gut 86 Jahre später, am 27. April 2025, steht Alon Voremberg, der Enkelsohn des jüngsten der drei Brüder, zusammen mit seiner Freundin Adi (24) für ein Erinnerungsfoto vor dem einstigen Wohnhaus seiner Vorfahren in der Meimbresser Hauptstraße, seinerzeit Haus Nr. 58.

Das junge Paar, beide Studierende aus Haifa, ist an diesem Tag zu Gast beim Verein „Judaica in Meimbressen e.V.“. Alon hatte im Vorfeld der Stippvisite in der Heimat seiner Vorfahren Kontakt zu Pfarrer Dr. Michael Dorhs aufgenommen, 2. Vorsitzender des Vereins und seit Jahrzehnten anerkannter Experte in der Erforschung jüdischer Schicksale im Raum Hofgeismar während der NS-Zeit. Mit ihm und weiteren Vorstandsmitgliedern geht der 27-Jährige, der derzeit ein Auslandssemester in München verbringt, in Meimbressen auf Spurensuche. Tausende Kilometer von zuhause entfernt, kommt Alon seinem 2017 im Alter von 90 Jahren verstorbenen Großvater Werner, der sich in Israel Shlomo nannte, gefühlsmäßig noch mal besonders nah.

Unter der Führung des 1. Vorsitzenden von Judaica in Meimbressen, Heinrich Neutze, besucht die Gruppe den historischen Junkernhof, der während der Grundherrschaft der Familie Wolff von Gudenberg über Jahrhunderte von Bedeutung war für jüdisches Leben in dem Dorf an der Nebelbeeke. Eine weitere markante Station während des Dorfspaziergangs bildet der Standort der beim November-Pogrom 1938 verwüsteten und später abgerissenen Synagoge, wo heute ein imposanter Gedenkstein und eine Infotafel mit historischen Fotos die Erinnerung an das Gebetshaus wachhalten.

Noch mehr unter die Haut geht Alon schließlich der Besuch des jüdischen Friedhofs Meimbressen. Das Grab der Ururgroßeltern Isaak Voremberg und Bertha, geborene Kander, ist bis heute erhalten. Ganz am Ende einer langen Gräberreihe entdeckt Alon den alten Grabstein - und legt entsprechend dem jüdischen Brauch einen Stein ab. Sein Großvater Werner hatte auch eine Schwester, Trude (geboren 1922). Sie starb schon in jüngsten Jahren an Leukämie, auch ihr Kindergrab existiert in Meimbressen noch. Das Interesse des jungen Israelis findet zudem die Höpperstraße. Denn hier haben Unterlagen zufolge Vorembergs in noch längerer Vorzeit einmal gelebt – mit Blick auf den Lindenberg und sein christliches Gotteshaus obenauf. Das christlich-jüdische Miteinander in Meimbressen gilt schriftlichen Quellen zufolge als bis zum Beginn des Nazi-Terrors weitgehend unbelastet.

Zum gemütlichen Gedanken- und Informationsaustausch bei Kaffee und Kuchen kehrten die Gäste am Ende des Rundgangs im Haus von Heinrich und Ruth Neutze ein. Mittags waren sie bereits zum gemeinsamen Essen bei der stellvertretenden Judaica-Vorsitzenden Beate Lehmann und deren Familie in Calden eingeladen. 

Nach München zurückgekehrt, dankte Alon dem Verein „Judaica in Meimbressen e.V.“ schriftlich für die „warmherzige Gastfreundschaft“ und alle Bemühungen, die diesen Meimbressen-Besuch für ihn zu einem außerordentlichen Erlebnis gemacht hätten.

Eine Vielzahl von Gästen aus diversen Ländern, Angehörige ermordeter und emigrierter Meimbresser Juden, erwartet Judaica in Meimbressen zu seiner dritten Stolperstein-Verlegung im kommenden September. In der Kontaktpflege zu Nachkommen sieht der Verein eine seiner bedeutendsten Aufgaben.

 

HINTERGRUND

Misshandelt: Kunden blieben weg

Der angesehene Viehhändler Jakob Voremberg wurde einem schriftlichen Zeugenbericht zufolge bereits 1933 von SA-Leuten abgeholt, nach Hofgeismar gebracht und dort schwer misshandelt.  Auch in der Folgezeit wurde er laut einer Zeugenaussage wegen seines jüdischen Glaubens mehrfach verprügelt. Unter dem Druck von Nazi-Größen zogen sich die Kunden zurück. Das vom Vater übernommene Geschäft lag schließlich finanziell am Boden und musste zum 1. Oktober 1937 abgemeldet werden. Bis zur Emigration im September des folgenden Jahres lebte die Familie ausschließlich von ihren Ersparnissen. In Israel siedelten sich die Vorembergs in Ramat Gan an. Es gelingt ihnen nicht, wirtschaftlich wieder Fuß zu fassen. Man lebte in bescheidenen Verhältnissen. Sohn Werner Voremberg betrieb eine Wäschereiannahmestelle.

Den gleichlautenden Zeitungsartikel in der HNA-Hofgeismarer Allgemeine finden Sie hier

J

Alon finds great-grandfather Isaak

Young Israeli goes in search of clues in Meimbressen with competent support
 
by Dorina Binienda-Beer

 

Meimbressen (April 27, 2025). The great disaster of the Holocaust was looming, and reprisals and harassment had already hit them hard. Then, in Meimbressen, cattle dealer Jakob Voremberg and his wife Jenny (née Perlstein) made a far-reaching decision: to leave their home village, leave Germany, and leave Europe. In September 1938, the Jewish couple emigrated with their three sons, Horst (born 1924), Helmut (1925), and Werner (1927), to Eretz Israel, the British Mandate in Palestine.

 

A good 86 years later, Alon Voremberg, the grandson of the youngest of the three brothers, poses with his girlfriend Adi (24) for a souvenir photo in front of his ancestors' former home on Meimbresser Hauptstraße, then house number 58.

 

The young couple, both students from Haifa, are guests of the Judaica in Meimbressen e.V. association on this day. Prior to their brief visit to his ancestors' homeland, Alon had contacted Pastor Dr. Michael Dorhs, the association's vice chairman and a recognized expert in researching Jewish fates in the Hofgeismar area during the Nazi era for decades. With him and other board members, the 27-year-old, who is currently spending a semester abroad in Munich, is searching for traces in Meimbressen. Thousands of kilometers from home, Alon once again feels particularly close to his grandfather Werner, who died in 2017 at the age of 90 and who called himself Shlomo in Israel.

 

Led by Heinrich Neutze, the first chairman of Judaica in Meimbressen, the group visits the historic Junkernhof, which was important for Jewish life in the village on the Nebelbeeke for centuries during the manorial rule of the Wolff von Gudenberg family. Another notable stop during the village walk is the site of the synagogue, which was devastated in the November pogrom of 1938 and later demolished. Today, an imposing memorial stone and an information panel with historical photos keep the memory of the house of worship alive.

 

Finally, Alon's visit to the Meimbressen Jewish cemetery is even more moving. The grave of his great-great-grandparents, Isaak Voremberg and Bertha, née Kander, has been preserved to this day. At the very end of a long row of graves, Alon discovers the old gravestone and places a stone there, according to Jewish custom. His grandfather Werner also had a sister, Trude (born 1922). She died of leukemia at a very young age, and her childhood grave still exists in Meimbressen. Höpperstraße also holds the young Israeli's interest. According to documents, the Vorembergs once lived here even further back in time – with a view of the Lindenberg and its Christian church at the top. According to written sources, Christian-Jewish coexistence in Meimbressen was considered mainly untroubled until the beginning of the Nazi terror.

 

At the end of the tour, the guests returned to the home of Heinrich and Ruth Neutze for a relaxed exchange of ideas and information over coffee and cake. At lunchtime, they were invited to dinner with the deputy Judaica chairwoman Beate Lehmann and her family in Calden.

 

Returning to Munich, Alon thanked the Judaica in Meimbressen e.V. association in writing for their "warm hospitality" and all the efforts that had made this visit to Meimbressen an extraordinary experience for him.

 

Judaica in Meimbressen e.V. is expecting a large number of guests from various countries, including relatives of murdered and emigrated Jews, for its third Stolperstein laying ceremony next September. The association sees maintaining contact with descendants as one of its most important tasks.

BACKGROUND INFORMATION

Mistreated: Customers stayed away

According to a written witness report, the respected cattle dealer Jakob Voremberg was picked up by SA men as early as 1933, taken to Hofgeismar and severely abused there.  According to a witness statement, he was also beaten up several times in the following period because of his Jewish faith. Under pressure from Nazi celebrities, the customers withdrew. The business he had taken over from his father finally hit rock bottom financially and had to be deregistered on October 1, 1937. Until their emigration in September of the following year, the family lived exclusively from their savings. In Israel, the Vorembergs settled in Ramat Gan. They were unable to regain a foothold economically. They lived in modest circumstances. Son Werner Voremberg ran a laundry delivery service.​​​​​​​​​​

Wir freuen uns, wenn Sie sich mit uns in Verbindung setzen:
+49 5677 839

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